Orgeln sind auf den Raum hin entworfene Unikate, klanglich wie optisch. Seit 2005 erklingt die französisch-symphonische Winterhalter-Orgel der Ludwigskirche nicht nur regelmäßig in Gottesdiensten, sondern als Bestandteil des städtischen Kulturlebens auch in Konzerten und wöchentlichen Mittagsmusiken. Der von Claudius Winterhalter ungemein aufwändig gestaltete Prospekt ordnet die Pfeifen fächerförmig und nach vorn geneigt, als wolle das Instrument aus seiner zu engen Loge zwischen den Säulen ausbrechen.

Wer Musik sucht, die mit Bildern in Dialog tritt, muss deren Farben und Implikationen nachspüren.In Thomas Glas’ GENESIS entspringt die Schöpfung entsprechend physikalischer und biblischer Beschreibung aus Verdichtung und Dunkelheit und entfaltet sich nach außen hin farbig. Durch die Schöpfung aus extrem dichtem Material, nämlich einem einzigen, relativ schlichten Fugenthema, entstand Johann Sebastians Bachs „Kunst der Fuge“, ein kontrapunktisches Meisterwerk aus achtzehn Einzelsätzen.

Farb- und Lichtmetaphern begegnen uns in musikalischen Werken, so in den chromatischen (gr. chroma = Farbe) Fantasien barocker Meister wie in zahlreichen Werktiteln zeitgenössischer Komponisten.

Von totaler Finsternis lesen wir in der biblischen Passionsgeschichte, gewaltigen Ausbruch und „neue Schöpfung“ verbinden wir mit Ostern. All dies zeichnet die zugehörige Musik nach – welch glücklicher Umstand, dass uns die Ausstellung GENESIS 1 von Thomas Glas während dieser intensiven Kirchenjahreszeit begleitet. Seine Werke kommunizieren mit dem Klang, dem Lichteinfall, den Farben und dem Raumgefühl unserer Kirche St. Ludwig und finden eine Gemeinsamkeit auf einer mystischen Ebene, die uns Fragen und Antworten gleichermaßen eröffnet. 

Pfingsten schließlich ist Hoffnung auf Neu-Inspiration, das Wehen des Heiligen Geistes findet Widerhall in der Bewegung des Orgelwindes in den Pfeifen und in virtuosen pfingstlichen Orgelwerken.

Olivier Messiaen, der wichtigste Orgelkomponist des 20. Jahrhunderts, war Synästhet, was bedeutet, dass er Klängen auf sinnlicher Ebene Farben zuordnete. In seiner Pfingstmesse kommt das Wunder der Schöpfung musikalisch zum Ausdruck, wie dies in Thomas Glas’ GENESIS 1 Projekt durch die Malerei geschieht.

Jorin Sandau